Einsiedel die Perle im Zwönitztal
Einsiedel-2

Eine Ansichtskarte von Einsiedel von 1917 

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Ein kurzer Abriß seiner Geschichte von Oberlehrer Richard Möbius
 
 
1. Über die Entstehung des Ortes Einsiedel
 
Lieblich von bewaldeten Höhen umsäumt, liegt Einsiedel unweit der Großstadt Chemnitz, eingebettet in Tale der Zwönitz, in seiner lang gestreckten Gestalt eine S-Form bildend. Sein Name ist ein Gruß aus längst entschwundener Zeit und klingt noch älter, als der Ort wohl sein kann, denn unwillkürlich denkt man beim Hören dieses Ortsnamens an die Zeit der ersten Jahrhunderte n. Chr. G., in der viele fromme Christen die Einsamkeit aufsuchten, um ihren religiösen Betrachtungen und Übungen ungestört in Wäldern und Einöden obzuliegen. Mit einem solchen Eremiten oder Einsiedler, der hierorts gelebt haben soll, bringt man die Entstehung des Ortes Einsiedel in Beziehung. Auf Grund dieser Sage, von der keine Chronik erzählt, enthält auch das Einsiedler Kirchensiegel in seinem Bild einen Einsiedler. Aber auch Einsiedel wird, wie alle Orte seiner näheren Umgebung, seine Gründung den deutschen Ansiedlern zu verdanken haben, die im 11. Jahrhundert n. Chr. G. von Westen her in unsere Gegend einzogen. Das Wort Einsiedel selbst ist etymologisch betrachtet entstanden aus dem althochdeutschen (bis 1100) sedal = Sitz, Wohnsitz (sidelen = sich ansässig machen), das im Mittelhochdeutschen (bis 1500) wieder als einsedel = einsam gelegener Sitz, auftritt. Ob mit diesem einsam gelegenen Sitz der Wohnsitz eines frommen Christen (Eremiten) gemeint ist, oder das einsam gelegene Gehöft eines Germanen oder gar die Niederlassung eines vom 1136 gegründeten Chemnitzer Klosters beorderten Geistlichen bezeichnet sein soll, wir wohl für immer ein Geheimnis bleiben; doch spricht für die Annahme, dass ein einsam gelegener germanischer Herrensitz mit dem Namen Einsiedel (Einsiedelei) bedacht wurde, einerseits die eigentümliche geographische Lage des Ortes, der ringsum von Höhen eingeschlossen ist und andererseits auch der Umstand, dass die deutschen Ansiedler nicht immer nach dem Obersten der Sippe (Dittersdorf von Dietrich, Dittmannsdorf von Dittmar) ihre Ansiedlungen benannten, sondern auch die geographische Eigenart zum Anlass für die Benennung der Niederlassung nahmen (z.B. Schönau, Grüna, Altenhain, Reichenhain). Mit der Besiedelung unserer Gegend, die im 11. Jahrhundert erfolgte, ging Hand in Hand die Einführung des Christentums. Und Einsiedel, so wie die übrigen Orte seiner näheren und weiteren Umgebung, hat in engster Beziehung zu dem Chemnitzer Benediktinerkloster gestanden, das zum Teil die Entwicklung einiger Orte seines Bereiches förderte. Mit der Gründung dieses im Jahre 1136 erbauten Klosters beginnt daher gewissermaßen die Geschichte unserer Gegend Recht sonderbar sehen die verschiedenen Schreibweisen für den Ort Einsiedel aus, wie sie in einer auswärtigen Familienchronik zu finden sind: Einsiedell, Eysediln, Einsedlin, Einsydlin, Aoinsidel, Einsydel und Einsidelin.)
 
 
2. Einsiedel in der Klosterzeit
 
Der Stifter des Chemnitzer Klosters, das über die weite Umgebung seine Herrschaft ausbreitete, ist der deutsche Kaiser Lothar, der von 1125 – 1137 regierte. Die Stiftungsurkunde lautete: „Wir, Lothar, von Gottes Gnaden König des heiligen Römischen Reiches, tun allem Volke der Pleißner und Meißner Lande kund und zu wissen, dass an der Kamenitz ein Kloster zur Ehre Christi und seiner Mutter, der heiligen Maria, errichtet werden soll. Damit alle die, welche daselbst Christi dienen keine Beschwernisse noch Not zu leiden haben, soll dem Kloster zur Nutznießung alles Land im Umkreis von 2 Meilen mit allen Erträgnissen des Bodens, mit den Erz- und Salzschätzen der Erde, den Fischen der Gewässer, den vierfüßigen Tieren des Waldes und den Vögeln der Lüfte zu eigen gegeben werden.“ Zweifellos hat nach dieser Verordnung das Zwönitztal bis mit Einsiedel zum Bereich des Klosters gehört. Ein Verzeichnis der Klosterorte vom Jahre 2537, das über 40 Orte der Umgebung aufweist, erwähnt aber sonderbarerweise die Orte Erfenschlag, Reichenhain, Einsiedel und Eibenberg nicht. Es kann möglich sein, dass vielleicht diese Orte recht unscheinbare Ansiedlungen darstellten und lange Zeit namenlos blieben. Überhaupt berichtet die Klosterchronik über manchen Ort überhaupt kein Wort. So kann auch Einsiel, das unbekannte „Dorf des Abtes“ (= Klostervorsteher) sein, das außer 8 anderen Orten bereits um das Jahr 1200 dem Kloster zinspflichtig war. Trotz dieser teilweise lückenhaften Klosterchronik, die für die Geschichte Einsiedels keinen besonderen Wert besitzt. Soll es nach der Aufzeichnung eines Hersfelder Mönches, der ums Jahr 1000 lebte, bereits 200 Jahre vor der Gründung des Chemnitzer Klosters der Zeuge eines blutigen Ereignisses gewesen sein. Zwischen Chemnitz und Einsiedel in dem jetzigen Erfenschlag, soll nach diesem Hersfelder Geschichtsschreiber ein Entscheidungskampf stattgefunden haben, zwischen den bereits sesshaften Sorben an der Würschnitz und Zwönitz und den anziehenden Deutschen, die nach verlustreichem Kampfe wieder weichen mussten. Das sogenannte Arnokreuz in Klaffenbach soll ein Wahrzeichen jenes Ereignisses sein. Der Geschichtsforscher Prof. Dr. Hey aber ist der Meinung, dass im Worte „Erfenschlag“ nicht der Name des in jenem Kampfe geschlagenen deutschen Bischofs Arno von Würzburg (Ariboschlag = Erfenschlag) angedeutet sein soll, sondern der Waldschlag eines deutschen Ansiedlers Aribo (= Eribo = Erfo). Und dieser Auffassung hat der Gemeinderat zu Erfenschlag beigestimmt, dessen Siegel den holzfällenden Gründer des Ortes darstellt, dieses Sinnbild schmückt ebenfalls die Außenseite des neuen Rathauses und ein Fenster des Sitzungszimmers.Weiset aber die Schreibweise „Erffurthschlag“, die sogar in den neueren Kirchenakten vom Jahre 1834 neben der jetzt offiziellen Schreibart Erfenschlag zu finden ist, nicht auf eine Deutung in geographischem Sinne hin, als hier kurz vor der Mündung der Zwönitz der Ort mit der größten und gefährlichsten Furt (Durchgang) sich befindet? Dass aber Sorben die ersten Bewohner der Chemnitzer Umgebung waren, beweisen die Namen Chemnitz, Würschnitz, Zwönitz, Gablenz, Pleiße. Aber die Kolonisation und Christianisierung seitens der Germanen war, wie aus dem Vorwort für die „Neue sächsische Kirchengalerie“ zu erkennen ist, bereits von dem höchsten Kirchendiener ganz bestimmt vorgesehen. So schreibt der verdienstvolle Mitarbeiter des genannten Werkes, Dr. Bönhoff, Pfarrer in Annaberg, dass man schon ums Jahr 1000 den Wirkungskreis der Bischöfe von Meißen angezeigt habe von dem Bereich der Bischöfe von Merseburg. Jenen war besonders die Chemnitzer Gegend, das Land zwischen der Zschopau und dem Unterlauf der Zwickauer Mulde bis zu den Quellen der Zwönitz, Würschnitz und Lungwitz als Wirkungskreis für die Christianisierung zur Aufgabe gestellt und als nun im 11. und 12. Jahrhundert die Kolonisation unserer Heimat begann, da wurden die Vorsteher (Äbte) des Chemnitzer Benediktinerklosters auch die Archidiakonen für die Chemnitzer Umgebung und die Meißner Bischöfe waren Oberhirten. Zur leichteren Handhabung wurde das große Chemnitzer Gebiet wieder in vier Bezirke (sedes) gegliedert: Chemnitz, Stollberg, Wolkenstein und Waldenburg. Zum ersten Bezirke gehörten: Eccl S. Nikolai extra muros, Rudigersdorf, Glese, Rabenstein, Eynsiedel, Erdmannsdorf, Pleise, Wittgensdorf, Reichenbrand und Hermsdorff. In dieser vorreformatorischen Zeit bildeten die Gemeinden Reichenhain und Einsiedel ein kirchliches Gemeindeleben und zwar jedenfalls in der Weise, dass beide Orte gemeinsam nur einen Geistlichen hatten. Welche Kirche von beiden Orten die Mutterkirche war, will die alte Kirchengalerie nicht entscheiden. Doch nach ihr scheint dem Ort Einsiedel dieser Vorrang zu gewähren, zumal er von beiden Orten der größere Ort ist und bis 1680 auch in „halb“ Dittersdorf eine Filiale besaß. Auf diese Zeit des Gemeinwesens dürfte auch die Bezeichnung eines Fußweges als Pfaffensteig zurückzuführen sein, der unterhalb der Einsiedler Papierfabrik im so genannten Nadelwald beginnt und direkt über den Höhenrücken nach dem etwa 4 km entfernten Reichenhain führt und in der Nähe der Kirche mündet. Zu dieser Zeit ist es auch gewesen, dass die alte Stadt Chemnitz das Recht Gewerbe zu treiben nur allein für sich in Anspruch nahm, während die Landbewohner nur Landwirtschaft treiben durften. Und als Eibenberg und Einsiedel gewagt hatten, ein anderes als Chemnitzer Bier einzuführen, unternahmen die Chemnitzer Bürger im Jahre 1506 nach genannten Orten eine Strafexpedition, die mit Vernichtung des unerlaubten Biervorrates und Verhängung schwerer Strafen endete.
 
 
3. Einsiedel als evangelischer Ort
 
In jener Zeit, in der die Reformation in Sachsen ihren Einzug hielt, begann auch in vielen Orten des Landes durch die protestantischen Pfarrherren die Führung von Kirchenbüchern, auf denen die meisten Ortschaften ihre Geschichte aufzubauen im Stande sind. Über die Einführung der Reformation in Chemnitz bringen die Geschichtsbilder von Chemnitz und Umgebung, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Chemnitz, ganz genaue und besonders interessante Angaben. Hiernach trafen am 29. Juli 1539 die von Herzog Heinrich dem Frommen beorderten Visitatoren Dr. Justus Jonas aus Wittenberg und Superintendant Georg Spalatin aus Altenburg, beide Luthers Freunde, in Chemnitz ein, um den ersten ev. luth. Geistlichen Wolfgang Fuß, der selbst eine gute Empfehlung Luthers mitbrachte und Luthers Predigten in Wittenberg gehört hatte, als ersten Stadtpfarrer anzustellen. Ähnlich wie in Chemnitz, so schreibt E. Wienhold, der Herausgeber des oben-genannten Werkes, ging die Visitation auch in allen anderen Orten der Umgebung vor sich, die damals bereits Kirchen besaßen. Und auch Einsiedel darf sich rühmen, zu den ältesten lutherischen Kirchgemeinden der Umgebung von Chemnitz zu gehören. Die Pfarrer von Einsiedel, deren Namen nach einer Angabe des ältesten Einsiedler Kirchenbuches vom Jahre 1740 an der Kanzeltür der Kirche gestanden haben, sind – ergänzt nach dem Album der ev.-luth. Geistlichen Sachsens – folgende:

1547 – 1562 Marschner, Johann, aus Crimmitschau
1562 – 1595 Leßigk (Lessius), Clemens, aus Jahnsdorf.
Er unterschrieb hier die Konkordienformel und ist ein Urahne des Dichters Gotthold Ephraim Lessing. Eine Familiengeschichte wurde am 2. Kirchweihfesttag d. J. als Geschenk des Herrn Justizrat Lessing in Berlin, der hiesigen Kirchgemeinde über-geben und liegt im Pfarrhaus zur Einsicht aus.
1595 – 1628 Böttger, Christoph, aus Bischofswerda.
1628 – ? Löffler, Johann, der kurz nach seiner Ordination in Freiberg starb.
1629 – 1640 Döber, Johann, aus Dettelbach (Unterfranken) kam infolge der Kriegswirren (30-jähr. Krieg) nach hier, war später Pfarrer in Felixburg b. Kaaden i. Böhmen.
1640 – 1680 Böttger, Theophilius, Sohn des Pfarrers Chr. Böttger1680 – 1688 Schmer, Johann, aus Fürstenwalde i.d. Mark Brandenburg
1688 – 1719 Reinhold, Johann Michael, aus Eppendorf
1719 – 1746 Reinhold, Christoph Gottlob, Sohn d. Vorigen
1746 – 1772 Weißbach, Johann Gottlieb, aus Großrückerswalde
1773 – 1800 Fritzsche, Johann Friedrich, aus Blankenhain bei Zwickau
1800 – 1832 Fritzsche, Joh. Friedrich, Sohn des Vorigen
1832 – 1862 Zimmermann, Karl Gottlob, aus Wiesa (Niederwiesa) bei Chemnitz
1863 – 1888 Bahr, Karl Konstantin, aus Zschopau

Dem Ortspfarrer steht seit 1905 ein zweiter Geistlicher zur Seite. Die Namen dieser Seelsorger sind:
1895 – 1906 Zenker, jetzt Pfarrer in Sosa
1906 – 1907 Ettmüller, jetzt Pfarrer in Stützengrün
Seit 1907 Buddensieg

Im Jahre 1908 wurde die seitherige Hilfsgeistlichenstelle in ein Diakonat umgewandelt, um dem Wechsel der Stelleninhaber zu begegnen. Die Ortskirche führt den Namen Jakobikirche und wurde, wie die neue Sächsische Kirchengalerie berichtet, in den Jahren 1822 – 1827 unter der Leitung des Zimmerermeisters Uhlig in Altenhain für 16 000 Taler erbaut, nachdem das alte Kirchengebäude wegen Baufälligkeit abgetragen worden war. Das neue Gotteshaus, das mit Recht ein Schmuck der Kirchgemeinde Einsiedel – Erfenschlag genannt werden darf, besitzt bekanntlich einen sogen. Altarschrein, der von dem Annaberger Bildschnitzer Hans von Köln gefertigt ist und hohen Kunstwert besitzt und gegenwärtig in der Parentationshalle aufbewahrt ist. Ganz besonders kunstgeschichtlicher Wert kommt nach den Ausführungen des Herrn Pfarrer Poeschmann in der neuen Sächsischen Kirchengalerie dem Altarwerke unserer Kirche zu. Unser gegenwärtig recht baufälliges Pfarrhaus hat eine besonders schicksalshafte Vergangenheit, denn zweimal, am
25. September 1740 und im Jahre 1782, wurde es ein Raub der Flammen. Leider sind bei dem ersten Brande sämtliche Kirchenakten vernichtet worden, so daß Einsiedel gerade der zuverlässigsten und ausführlichsten Quellen seiner Geschichte entbehrt. Nur ein Brief von 1688, den Pfarrer Schmer aus Großolbersdorf an seine ehemalige Kirchgemeinde Einsiedel richtete, ist noch erhalten und Pfarrer Fritzsche (1173 – 1800) erachtet denselben für wertvoll, weil in demselben unser Nachbarort Erfenschlag „Erffurthschlag“ genannt wird. Diese Schreibweise ist überhaupt in den hiesigen Kirchenbüchern bis um Jahre 1834 neben der wiederholt auch auftretenden Form „Herfurthschlag“ zu finden. Das älteste Schriftstück aber, welches im Besitz unseres Pfarramtes ist, ist die Abschrift der am 16. August 1683 „allergnädigst konfirmierten Pfarrmatrieal“, welche berichtet, dass der damalige Kirchenpatron über Einsiedel, Heinrich Hildebrand von Einsiedel auf Scharfenstein, zusammen 600 Taler der Kirche zu Einsiedel geschenkt hat, weil Dittersdorf, nachdem Weißbach eine eigene Kirche erhalten, wieder zu Weißbach geschlagen worden war. Es ist übrigens ein sonderbarer Zufall, dass unter der Herrschaft der Herren von Einsiedel auf Burg Scharfenstein im 17. Jahrhundert außer Weißbach, Kemtau, Dittersdorf u. a. Orten auch Einsiedel stand. Die Herren von Einsiedel, die seit dem 1492 bis jetzt ununterbrochen Besitzer der Burg Scharfenstein sind, können also als Gründer unseres Ortes gar nicht in Frage kommen, wie auch von Scharfenstein eingezogene Erkundigungen bestätigen. Nicht unerwähnt sei hierbei der Name eines Herrn von Einsiedel, weil zu seiner Zeit unsere Zwönitz als „Betriebsmittel“ in Frage kommt. So erzählt die Stadtgeschichte von Chemnitz, dass im Jahre 1695 Ehrenhausen von Einsiedel, Herr auf Dittersdorf, vor dem Abschluß eines neuen Floßvertrages von der Stadt Chemnitz verlangte, dass sie den Altchemnitzer Flurenbesitzern Schaden-ersatz leisten solle, wenn die Floßknechte beim Flößen des Holzes Flurschaden verursachten. Da aber der Chemnitzer Stadtrat diesem Gesuch nicht entsprach, ging die Flößerei auf der Zwönitz ihrem Ende entgegen. Diese Herren von Einsiedel auf Dittersdorf stammten, wie die Familiengeschichte des Herrn von Einsiedel auf Scharfenstein aufweist, ebenfalls aus Burg Scharfenstein.
So kam es, dass Einsiedel viele Jahre unter der Gerichtsbarkeit von Dittersdorf und Weißbach stand und noch im Jahre 1851 mußte der damals noch junge Einsiedler Männergesangverein seine Satzungen und die Namen des Vorstandes dem Gerichtshof der Gerichtsbarkeit Dittersdorf und Weißbach zur Genehmigung vorlegen. (Akten des hiesigen Männergesangvereines) Und der letzte der Herren von Einsiedel auf Dittersdorf, Curt Heinrich von Einsiedel, der unverheiratet als östreichischer General in Wien starb, verschrieb 1808, (wenige Jahre vor seinem Tode) der aus Schöneburg – Wechselburg gebürtigen Gräfin von Düben die Güter Weißbach und Dittersdorf. (Neue sächs. Kirchengalerie, Parochie Dittersdorf).
Der Gräfin Löwenhjelm gedenkt Einsiedel in Dankbarkeit, denn sie hat der Kirche zu Einsiedel nicht nur eine noch bestehende Stiftung hinterlassen und den Grundstein unserer jetzigen Kirche gelegt, sondern ist vor allem Hilfreich gewesen, da sie in den Jahren der Teuerung, 1846 und 1847 unsere Dorfstraße, die recht schmal war und oftmals vom Hochwasser verwüstet wurde, in ihrer jetzigen Gestalt hat ausbauen helfen. Die Erinnerungstafel an die Teuerungseiche (in der Nähe des Königsplatzes) erzählt in Gedichtsform folgendes:
 
Um den Bedrängten hier Arbeit zu geben,
So rief man den Bau der Straße ins Leben.
Man stillte hier vielen die Sorgen und Not,
Sie hatten nun Arbeit, verdient hier Brot.
Es brachten ihr Opfer Gemeinde und Staat,
Wodurch für den Armen zur Arbeit ward Rat.
Du Eiche gepflanzt von kindlicher Hand,
Verkünde dem Wandrer im sächsischen Land,
Daß wir auch nicht verschonet geblieben
Vor Teuerung eintausend achthundertvierzig und sieben.
Auch wirkte dabei so gnädig mit Kraft
Die Gräfin; Dank sei der edlen Herrschaft
 
 
Ein Augenzeuge kann sich noch erinnern, dass das erste auf der neuerbauten Straße fahrende Lastgeschirr der gefüllte Wagen des Annaberger Getreidehändlers Gehlert war, der nach Chemnitz fuhr und angesichts der für ihn sehr bequemen Straße sein Geschirr festlich geschmückt hatte. Die verw. Gräfin von Düben aber heiratete den schwedischen Edelmann von Löwenhjelm von Oerebro (am Hjelmarsee in Schweden) und der Sohn der beiden, Karl Gustav von Düben von Oerebro verkaufte wie aus den Forstakten u erkennen ist, 1862 das Rittergut Weißbach mit Dittersdorf mit seinen großen Waldungen, zu denen gehörte auch der Eibisch Busch und der Niederwald, das vormals Weinhold’sche Bauerngut und das Lehnrichtergut zu Weißbach mit allem, was daran, „erd-, wand-, land-, niet- und nagelfest“ für zusammen 340 000 Taler an der Staatsfiskus, der die Waldungen abtrennte, und die Güter wieder verkaufte. Das Geweih des letzten hier 1854 erlegten Hirsches (ungerader Zehnender) befindet sich in der hiesigen Oberförsterei, die heute noch den historischen Namen Revierverwaltung Dittersdorf führt.
Wie die Kirchenakten von Weißbach berichten, hat Henriette Luise Renate Auguste von Löwenhjelm ver. gewes. Gräfin von Düben, gebliebene Gräfin und Herrin von Schönburg am 25. Juni 1848 in den Kirchen ihres Gutsbezirkes eine Stiftung von Tausend Talern testamentiert, deren Zinsen alljährlich ausgezahlt werden. Sie starb am 20. Mai 1859 in Schweden, wo sie meistens sich aufgehalten hatte.
Nicht uninteressant dürfte wohl ein kurzer Abriß der Geschichte derer von Einsiedel auf Scharfenstein sein, die über ein Jahrhundert 1861 – 1808 die Herrschaft über das ihnen gleich benannte Dorf Einsiedel führten. Wie die Scharfensteiner Familienchronik der Herren von Einsiedel und die Sächsische Kirchengalerie (Parochie Dittersdorf) erkennen lassen, ist der erstbekannte der Herren von Einsiedel auf Scharfenstein Heinrich von Einsiedel auf Burg Gnandstein, der 1507 starb und auch Besitzer von Burg Scharfenstein mit dem „schriftsässigen Rittergut Weißmach mit Dittersdorf war. Ihm folge sein Sohn Hildebrand von Einsiedel auf Scharfenstein, welcher als kurfürstlicher Rat und Luthers Freund ein bekannter Kämpfer der Reformationszeit war. Auch seine Nachfolger Haubold von Einsiedel auf Scharfenstein und dessen Sohn Heinrich Hildebrand waren hochangesehene Staatsmänner. Die Söhne des Letzteren, Rudolf Haubold und Heinrich Hildebrand erhielten 1651 von Herzog Johann Georg durch einen Lehnbrief die Dörfer Einsiedel, Erfurthsschlag, Reichenhain, Dittersdorf und Kemtau mit den vier Waldungen daselbst, mit dem Fischwasser und der Fischerei in der Kemnitz, (es kann nur die Zwönitz gemeint sein) als dauernde Besitzung. Nun war Dittersdorf die Zentrale der großen Besitzung, die von Scharfenstein bis Reichenhain reichte und im Dittersdorfer Rittergut entstand ein neues Schloß (brannte 1887 ab und es ist wieder aufgebaut worden von dem jetzigen Besitzer Herrn von Römer), das zeitweise die Herrschaft von Scharfenstein aus bewohnte. Aber bald wurde es der Stammsitz einer neuen Linie derer von Einsiedel und der erste dieser Linie, der sich ausdrücklich Herr von Einsiedel auf Weißbach und Dittersdorf bezeichnete, war Kurt Heinrich, königl. polnischer und kursächsischer Kammerherr, Sohn der vorerwähnten Heinrich Hildebrand (gest. 1654). Der Letzte des Geschlechts von Einsiedel auf Dittersdorf und Weißbach, ebenfalls Kurt Heinrich, trat aus unbekannten Gründen in der Zeit des großen Korsen Napoleon I. in österreichische Dienste und wurde k.k. Feldwacht-meister und starb unverheiratet in Wien, nachdem er, wie schon erwähnt, 1808, wenige Jahre vor seinem Tode, in Dresden der Gräfin von Düben das Rittergut Weißbach mit Dittersdorf verschrieben und den Armen der beiden Dörfer ein Legat von 1000 Talern verschrieben hatte, dessen Zinsen von den beiden Geistlichen der Gemeinden verteilt werden.
 
 
4. Einsiedel in Kriegsnot
 
Wie heftig in den vergangenen Jahrhunderten die Wellen der Kriegswirren auch bis ins stille Tal von Einsiedel geschlagen haben, darüber fehlen die festen Beweise, die beim ersten Pfarrhausbrande vernichteten Kirchenakten. Doch ist gewiß, dass auch Einsiedel das Los seiner Nachbarstadt Chemnitz, die eine bewegte kriegs-geschichtliche Vergangenheit zu beklagen hat, jederzeit hat teilen müssen, denn die vor 100 Jahren noch kleine Stadt Chemnitz konnte allein den Forderungen der Kriegsheere nicht gerecht werden (die Einwohnerzahl betrug ums Jahr 1700: 7000 Einw., 1800: 120000 Einw.). So waren es die ersten Husitten, die bei ihrem Rachezug durch Sachsen (1423 – 1430) ganz besonders Chemnitz heimsuchten und nach dem Zwickauer Historiker Dr. E. Herzog im Archiv für sächs. Geschichte in der näheren Umgebung der Stadt gegen 9 „Wüste Marken“ hinterließen. Von den ehemals in unserer Gegend bestandenen, der Zerstörungswut der Husitten zum Opfer gefallenen und nicht wieder erstandenen Ortschaften sei außer Adelsberg nur die – Alte Harth – erwähnt, die auf der Ebene zwischen Einsiedel und Harthau gelegen haben soll. Mit dichtem Gehölz ist jetzt dieser Ort besetzt. Der Bauernkrieg, der ungefähr 100 Jahre später sich erhob (1525) und namentlich im oberen Erzgebirge tobte, ließ Chemnitz und seine Umgebung fast unberührt. Im Schmalkeldischen Kriege (1546 – 1547) aber wirkte die Großstadtnähe schon nachteilig, denn der Durchmarsch und die Verpflegung der kaiserlichen Truppen und der verbündeten protestantischen Heere waren gewiß für jeden Einwohner lästig. Aber was bedeuteten die vergangenen schweren Zeiten gegen die Schreckenszeiten des 30-jährigen Krieges (12618 – 1648)? Was die Soldaten die kaiserlichen sowohl wie später die schwedischen, nicht in der Stadt bei den Bürgern fanden, so schreibt E. Wienhold in seiner Stadtgeschichte von Chemnitz, das suchten sie bei den Bewohnern der Umgebung. War ja Chemnitz in dieser Zeit, das reichlich so groß wie Einsiedel war (6000 Einw.), unmöglich in der Lage, das gewaltige Heer zu verpflegen. Nach dem Kriege zählte Chemnitz nur noch 1500 Einwohner. Krankheit, Hungersnot und Mord hatten schrecklich gewütet. Und der Pestilenzacker in der Nähe des Pfarrhügels, der ungefähr ein Scheffel groß ist, beweist, das auch in Einsiedel das Schreckensgespenst der Pest gewütet hat. Den Zins dieses zum Pfarrlehn gehörigen Ackers haben die Geistlichen von jener Zeit ab nicht mehr begehrt, noch gegenwärtig fließt dieser Pachtzins in die Besoldungskasse für die Kirchschullehrer, der infolgedessen auch bei der Jagdverpachtung der Einsiedler Flur mitzusprechen hat.
Aber noch waren die Wunden, die der 30-jährige Krieg geschlagen hatte, nicht verheilt, da brachte der siebenjährige Krieg (1757 – 1763) der Stadt Chemnitz und seiner Umgebung neues Unglück. Schon im ersten Kriegsjahre war unsre Gegend der Zielpunkt der ganzen preußischen Armee und Friedrich des Großen, der selbst seine Wohnung in Chemnitz aufgeschlagen hatte (Prinz Heinrich von Preußen zog 1759 mit einem Regiment nach Dittersdorf und wohnte im Edelhof). Im nächsten Jahre waren die Österreicher (Kroatenregimenter) bei uns zu Gaste und nach der Schlacht bei Rossbach (5.11.1757) quartierten sich wieder die siegreichen Preußen bei uns ein, die überhaupt mehrmals in Chemnitz unser seiner Umgebung ihre Winterquartiere bezogen.
Es war, wie die Geschichtsbilder von Chemnitz berichten, ein beständiges Kommen und Gehen der Mannschaften und Bewohner von Stadt und Land hatten vollauf zu tun, den Anforderungen der immer wiederkehrenden Truppen entsprechen zu können, dazu waren die Häuser vollgestopft von hungrigen Soldaten und wer nicht freiwillig gab, dem wurde genommen, was zu haben war. Und die preußischen Werber verschonten auch die jugendlichen und schwächlichen Leute nicht. Überall war Sorge und Not eingezogen, die noch lange nach Beendigung des Krieges nicht weichen wollten. Auch die schreckliche französische Revolution (1789) schlug ihre Wellen bis an die Tore von Chemnitz. Am 19. August 1789 rotteten sich die Bewohner der Orte Einsiedel, Reichenhain, Erfenschlag, Weißbach und Kemtau, die sämtlich zu Einsiedelschen Rittergut Dittersdorf gehörten, zusammen und berieten, wie sie sich vom herrschaftlichen Drucke befreien möchten, doch es kam nicht zu blutigen Aufständen da von Dresden aus Militär im Anzuge war. Daß auch der große Franzosenkaiser Napoleon I. mit all seinen Herzögen und Generälen auf seinem Zuge nach Russland 1812 durch Chemnitz zog und den Bewohnern der Stadt und Umgegend den Anblick seines farbenprächtigen Heeres bot, ist wohl der Erwähnung wert. Im nächsten Jahre aber sollte auch unsere Gegend Zeuge blutiger Vorgänge sein. Einige Tage vor der Völkerschlacht bei Leipzig (10. – 18. Oktober 1813) lagerte das gesamte französische Heer bei Mittweida, während im Zschopautal von Chemnitz bis Zschopau die den Preußen verbündeten Österreicher lagen. Bei Hilbersdorf wurden die Österreicher von den Franzosen angegriffen (Kanonenkugeln an einem Hause Hilbersdorfs) und bis zu den Neuen Schänken zurückgeschlagen. Im letzten Augenblick brachten die von Rabenstein anreitenden Kosaken den Österreichern Hilfe und trieben die Franzosen nordwärts, Leipzig zu, wo Napoleons Schicksal am 18. Oktober endgültig besiegelt wurde. General von Blücher, der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III., Scharnhorst, der Kaiser von Russland Alexander I., Kaiser Franz von Österreich, Fürst Schwarzenberg als Oberbefehlshaber, sie alle mit ihren glänzenden Heeren füllten die Straßen unserer Gegend, und Russen, Kosaken, Kalüken, Österreicher, Bayern, Franzosen und Preußen und andere Völkerschaften waren Gäste unserer Umgebung. Und im Hinblick auf die kriegerischen Ereignisse dieser Zeit lässt sich der wohlgemeinte damals gefasste Entschluß verstehen, in dem Einsiedel bei der Behörde sich gegen den Bau der Staatsstraße Chemnitz – Annaberg über Einsiedel ausspricht. Die fiskalische Straße wurde infolgedessen über Harthau gelegt und der Gemeinde Einsiedel mit ihrem starken Geschirrverkehr erwuchs bekanntlich der Nachteil der eigenen Straßenunterhaltung. In banger Sorge um Hab und gut befand sich auch die Bewohnerschaft unseres Ortes, als während des deutschen Bruderkrieges 1866 die Preußen auf ihrem Marsche aus dem Feindesland nach Einsiedel kamen, wobei während ihres Hierseins eine Anzahl preußischer Soldaten im Lehngericht – jetzt Apotheke – ihre Arreststrafen abbüßen mussten. Und zur Ehre des Ortes sei erwähnt, dass die dankbare Gemeinde Einsiedel ihren Heldensöhnen des Deutsch-Französischen Krieges ein schmuckes Denkmal errichtet hat, auf dem der Name eines gefallenen Kämpfers (Tröger, II. Jägerbat. Nr. 13) verzeichnet ist.
 
 
5. Einsiedel in der Gegenwart
 
Einsiedel, das mit seinen bewaldeten steilen Höhen ein reizendes alpines Bild bietet und darum mit Recht die Perle des Zwönitztales genannt wird (Kemtauer Weg, südlich vom Dittersdorfer Rittergut, er bietet auf Einsiedel einen Anblick, wie der Trüppstein auf Schwarzburg) gehört mit seinen 5000 Einwohnern zu den blühendsten Industrieorten der Umgebung von Chemnitz. Den lebhaften Verkehr, der sich von der nahen Großstadt aus nach Einsiedel erstreckt, vermitteln gegenwärtig 24 Personenzüge, bildet doch Einsiel für mehrere Orte der Umgebung gewisser-maßen die geographische Zentrale. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass die bereits vom Landtag erbetene Eisenbahnlinie Einsiedel – Ehrenfriedersdorf – Annaberg in nicht zu ferner Zeit entstehen wird. Eine größere Anzahl industrieller Anlagen vermitteln dem größten Teil der Einwohnerschaft Arbeit und bei flottem Geschäftsgang lohnende Hausarbeit. Außer mehreren Strumpffabriken besitzt Einsiedel auch eine Maschinenfabrik, eine besonders große Brauerei, eine Papierfabrik, eine Buchdruckerei und andere Fabrikationsbetriebe. Als besonderer Anziehungspunkt bietet Einsiedel nicht nur herrliche Waldungen und das romantisch gelegene Wasserwerk der Stadt Chemnitz, sondern seit jüngster Zeit auch das am Spitzberg gelegene imposante Ausflugsetablissement „Waldesrauschen“, das einen prächtigen Anblick auf das idyllisch gelegene Einsiedel gewährt und der Zielpunkt ungezählter Sonntagsgäste ist. Möge der Ort mit seinem anheimelnden Namen, an dessen Spitze seit reichlich zwanzig Jahren Herr Gemeindevorstand Seydel steht, einer glücklichen Zukunft entgegensehen.

Richard Möbius Einsiedel, im Oktober 1909
Abgeschrieben September 1946

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2015 © Copyright by Bernd Obermaier  Projektstart: 25.07.2000 aktueller Stand vom 03.01.2015
154 Seiten Einsiedler Geschichte,