Einsiedel die Perle im Zwönitztal
Einsiedel-2

Im Einsiedler Wochenblatt vom 3. Juli 1937 stand zu lesen:

Um die deutsche Wirtschaft mit den so notwendigen industriellen Fettstoffen zu versorgen, sah sich Deutschland gezwungen, das Recht wieder in Anspruch zu nehmen, das jahrzehntelang geruht hat, das Recht auf Walfang! Kein Land hat dazu mehr Recht wie gerade Deutschland, weil es keine Kolonien mehr hat, um die Rohstoffe zu gewinnen, die zur Herstellung von industriellen Fetten notwendig sind. So ist das Jahr 1936 für die deutsche Fettwirtschaft insofern bedeutsam, weil an der im Herbst 1936 begonnenen Walfangzeit zum erstenmal wieder eine deutsche Walfangflotte teilnahm.
Am 26. September 1936 verließen wir mit unserer Flotte, bestehend aus dem Walfang-Mutterschiff “Jan Wellem” und den Fangdampfern “Treff 1-4” Hamburg, mit dem festem Vorsatz, dem Meere zu entreißen, was unsere Wirtschaft braucht. Weil wir unsere “Treffs” noch mit Oel und Proviant zu versorgen hatten, war als erster Bunkerplatz Las Palmas (Kanarische Inseln) ausersehen. Sonntag den 4. Oktober, erreichten wir dieses Ziel und gingen vor Anker. Eine große Freude wurde uns hier zuteil. Das Luftschiff “Graf Zeppelin” sowie Deutschlands schnellstes Flugzeug, die im Südamerikadienst ihren Kurs hier wechselten, überflogen uns. Es wurden gegenseitig Grüße gewechselt, dann verschwanden beide ebenso schnell, wie sie gekommen waren. Nach zweitägigen Aufenthalt ging die Fahrt weiter, immer an der amerikanischen Küste entlang. Bei Dakar (franz. Westafrika) lagen wir einige Stunden, um am Abend weiter mit dem Kurs nach Süden zu schaukeln. Am 14. Oktober erreichten wir den Äquator, wo nach altem Seemannsbrauch die Äquatortaufe stattfand. Es war eine große Zahl von Täuflingen an Bord, die “gereinigt” die südliche Halbkugel befahren wollten. Überall herrschte frohe Laune, mitunter großes Gelächter, wenn ein Täufling etwas unsanft dem Wasser übergeben wurde. Weiter ging die Fahrt. Schon hatten wir die Insel Ascension hinter uns. Der 23. Oktober war wohl für den größten Teil der Besatzung der ereignisvollste Tag, denn unser “Treff 4” hatte einen Finnwal geschossen. Alles war in fieberhafter Aufregung, sollten wir doch bald den ersten Meeresriesen sehen. Es dauerte auch nicht lange, da tauchte “Treff 4” mit seiner Beute auf, um sie an das Mutterschiff abzuliefern. Dieser Wal war dazu bestimmt, die Maschinen auf dem Mutterschiff auszuprobieren. Die ganze Besatzung nahm teil am Emporholen des Wales. Von einigen an Bord befindlichen Fachleuten wurde uns die Verarbeitung des Riesen gezeigt. Die Insel Süd-Georgien erreichten wir am 29. Oktober und gingen dann vor ???....das letzte mal vor Anker, um nunmehr in unsere eigentliches Fangfeld in der Antarktis zu fahren. Hatten wir in den letzten Tagen unter der glühenden Tropensonne zu leiden, so sank die Temperatur nunmehr bis zur eisigen Kälte. Beim verlassen der schützenden Bucht von ???... nahm uns gleich eine entsprechende “Brise” auf, weiterhin sahen wir schon die Vorposten des ewigen Eises. War es auch nur erst Treibeis, so schaukelten später die schönsten Eisberge in unvorstellbaren Größen an uns vorüber. Die Eisberge sind der größte Feind der Walfischfänger, und man kann unsere Gefühle verstehen, wenn bei Nacht und Nebel plötzlich so ein Berg von der Kleinigkeit wie Helgoland auftaucht. Wir waren nun auf dem eigentlichen Fangfeld angekommen. Die “Treffs” bekamen Schießerlaubnis und die Arbeit auf 5 Monate konnte beginnen.
Nun zum Fang und dessen Verarbeitung selbst. Es werden gefangen Blau-, Finn-, Knöl-, Sei-, Pott- und Speerwale. Die vier ersten sind Bartwale, wovon der Blauwal der größte ist; die beiden letzteren sind Zahnwale und gleichzeitig die am tiefsten tauchen. Der Wal macht sich dadurch bemerkbar, das er alle 20 bis 30 Minuten einen großen Wasserstrahl bis zu 15 Meter Höhe von sich gibt. Der wachhabende Matrose im Ausguck meldet dann die Nähe des Wales. Das Fangboot pirscht sich dann, genau so wie der Jäger an das Wild heran. Nun liegt alles in der Hand des Harpuniers, der an seinem Geschütz steht und alle Wendungen und Bewegungen des Tieres verfolgt, um dann beim hochkommen desselben, seine 150 Pfund schwere Harpune abzuschießen. Es genügt nicht immer eine Harpune; wir haben schon Wale eingeholt, die bis zu 5 Stück in ihren Leib hatten. Mehr als 1000 Meter Leine sitzen an der Harpune, um das blitzschnell wegtauchende Tier an dem Fangschiff zuhalten. Mit der Walwinde, über die die Fangleine läuft, macht man den tobenden Wal durch Abbremsen und Einholen der Leine müde. Ist er verendet, wird er aufgeholt und mit Luft aufgeblasen, damit er nicht wieder versinkt. Der “Treff” bringt dann seinen Tagesfang nach dem oft meilenweitweg liegenden Mutterschiff. Schon das übergeben des Wales ist nicht leicht, noch dazu wenn es brist. Der Wal wird mittels zweier großer Dampfwinden über das am Heck befindliche Slip aufgeholt und an Deck gebracht. Schwer kreischen die Winden und die starken Stahltaue sind bis zu bersten gestrafft, wenn die Riesen bis zu 3000 Zentner aufgeholt werden. Sobald der Wal an Deck liegt, treten die Flenser in Tätigkeit, die mit langen Messern den Speck abtrennen. Mit Hilfe von Winden werden die langen Speckseiten an die Lucken geschleift. Hier wird der Speck zerkleinert und in den dazu bestimmten Kochapparat geworfen. Dann wird der Kopf abgetrennt und an die Knochensäge geschleift, um auch zerkleinert zu werden. Das übrige wird auf das vordere Schlachtdeck gezogen. Hier wird das Fleisch geschnitten, das dann von Deck aus in die Maschine geworfen wird, um zerkleinert zu Fischmehl verarbeitet zu werden. Die Rippen und der Schwanz kommen in so genannte Knochenkocher, um unter Deck als Oel wieder zu erscheinen. Von dem Tier wird also alles verarbeitet, nichts ist unbrauchbar. So geht es Tag für Tag, es sei denn, es ist ganz ungünstiges Wetter, dann ruht der Fang. Am 1. April dieses Jahres verließen wir das südliche Eismeer mit einer annehmbaren Beute, um über Südamerika nach Deutschland zurückzukehren.
In diesem neuen Beruf werden nur ganze Kerle gebraucht, die, ohne mit der Wimper zu zucken, alle Gefahren und Entbehrungen auf sich nehmen. So haben wir alle, vom Kapitän bis zum letzten Jungen in eiserner Pflichterfüllung in monatelanger schwerster Arbeit unseren Dienst getan zum Wohle unseres Vaterlandes. Gern haben wir es getan, wußten wir doch, daß wir unserem Führer ein treuer Helfer in seinem Aufbauwerk waren. Auch in diesem Jahr werden wir, vereint mit den neuerstandenen zwei Flotten, den Kampf aufnehmen, zur Erfüllung des Vierjahresplanes und zur Sicherung der deutschen Fett- und Rohstoffversorgung.

Ein Teilnehmerbericht von Georg Kreißel aus Einsiedel

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2015 © Copyright by Bernd Obermaier  Projektstart: 25.07.2000 aktueller Stand vom 03.01.2015
154 Seiten Einsiedler Geschichte,